„Wegen einem Straßennamen“

Durch eine Google-Suche zur Band „The Hooters“ bin ich zufällig bei einem Artikel in der „Westdeutschen Zeitung“ gelandet, der einen Konzertabend in Krefeld revue passieren läßt und der gut veranschaulicht, daß es bergab geht mit unserer Sprachintelligenz. Gleich in der ersten Passage prangt mir Folgendes entgegen:

Ein Kreis schließt sich. Das Konzert geht seinem Ende entgegen. Sänger und Gitarrist Eric Bazilian erklärt, warum der Auftritt in der Kulturfabrik für ihn und seine Band eine symbolische Bedeutung hat. Schon seit seiner Jugend ist ihm der Auftrittsort wegen einem Straßenamen in der Heimatstadt der Gruppe ein Begriff. Die „Krefeld Street“ liegt im Viertel „German Town“ in Philadelphia.

Natürlich verwende ich in der Alltagssprache auch oft den Dativ bei der Genitivpräposition „wegen“. Schriftlich benutze ich selbstredend ausschließlich den Genitiv. Bei Journalisten handelt es sich ja um Sprach- und Schriftprofis. Da ist es schon sehr befremdlich, diesen proletarisierten Sprachduktus zu lesen.

Dieser Blogbeitrag könnte nun enden, wenn mir nicht noch zwei andere Sachen in dem inkriminierten Artikel der „Westdeutschen Zeitung“ aufgefallen wären.

Man lese und staune:

Eric Bazilian und seine fünf Mitstreiter verleihen ihren Liedern durch ungewöhnliche Instrumentierung, unerwarteten Wendungen und abwechslungsreichen Intros neue Frische.

Schon wieder eine Präposition! Und schon wieder ein heilloses Durcheinander. Denn „durch“ verlangt den Akkusativ. In der obigen Aufzählung wird aber zweimal der Dativ verwendet, was vermutlich erneut auf journalistisches Schusseltum zurückzuführen ist.

Wir wollen hier nicht kleinlich sein. Es passiert schon mal, daß man irgendetwas schreibt, aber innerlich ein anderer Film zu laufen beginnt und man gedanklich mit einer anderen Präposition weiterschreibt, als man begonnen hat.

So erhält die Kauderwelsch-Passage wieder ihren Sinn:

Eric Bazilian und seine fünf Mitstreiter verleihen ihren Liedern mit ungewöhnlicher Instrumentierung, unerwarteten Wendungen und abwechslungsreichen Intros neue Frische.

Jetzt stimmt die Sache wieder. Man muß sich eben entscheiden: Will ich die Sache mit „durch“ oder mit „mit“ durchziehen? Wie gesagt: Es passiert häufiger, daß man das Verb oder die Präposition vergißt, mit dem bzw. der man einen Satz begonnen hat. Passiert mir auch manchmal.

Trotzdem bleibt ein bißchen der Legasthenieverdacht bestehen, zumal der Autor ein Mann ist. Für Männer sind diese Holprigkeiten jedenfalls typischer als für Frauen, die über mehr sprachlichen Feinsinn verfügen.

Damit ist das Kapitel „Rechtschreibkatastrophe“ für diesen Zeitungsartikel eigentlich abgeschlossen. Mir ist aber noch etwas aufgefallen:

The Hooters werfen dem Publikum einen schnörkellosen Rocksound vor die Füße und erinnern daran, dass ihr wohl größter Hit nie so geknallt hat, wie in der Originalfassung. Die Tour der Hooters endet in ihrer Heimatstadt Philadelphia

Hier steht vor der Präposition „wie“ ein Komma, das da selbstredend nicht hingehört. Auch hier ein starker Legasthenieverdacht, denn ein Verb, das ein Komma rechtfertigen und einen Komparativsatz einleiten würde, sucht man hier vergebens.

Und dann diese Passage, die direkt darauf folgt. Man achte auf den hervorgehobenen Satz:

„Es war ein absolut genialer Auftritt. Ich habe sie zum ersten Mal gesehen und ich bin immer noch baff. Sie haben den Spaß an der Musik auf das Publikum übertragen“, sagt Zuschauer Werner Nickel nach dem Konzert. Die ausgedehnte Tour der Hooters endet in ihrer Heimatstadt Philadelphia.

Der letzte Satz kommt einem irgendwie bekannt vor. Fast gleichlautend steht er bereits in der zuvor zitierten Passage. Da hätte man wohl doch besser noch mal drübergelesen, bevor dieser Artikel online ging.

Niemand ist perfekt. Und das soll hier keine Rechtschreibinquisition werden. Aber mit drei amateurhaften Fehlern und einem geklonten Satz kann man diesen Zeitungsartikel nicht mehr zum Qualitätsjournalismus rechnen.

 

 

PS: Dieser Zufallsfund ist durchaus repräsentativ für die Sphäre der Printmedien. Die Sprachpanscherei der „Rechtschreibreform“ hat durch ihre Anmaßung und ihren Relativismus meines Erachtens viel zu dem Dilettantismus beigetragen, den man heute alltäglich überall besichtigen kann,

Früher haftete unserer Schriftsprache eine Aura des Ehernen, organisch Gewachsenen an. Diese Aura wurde durch die unbeholfenen, technokratischen und parteipolitisch kontaminierten Reformen der Neunziger- und Nullerjahre maßgeblich zerstört, die den Eindruck hinterließen, man könne mit unserer Sprache so umgehen wie mit einer Steuerreform.

Wir Deutschen sind wohl das einzige Volk dieses Planeten, das derartig irre mit seinem sprachlichen Kulturschatz umgeht und das glaubt, man müsse die Sprache „weltoffener“ und für In- und Ausländer leichter erlernbar gestalten. Und wir sind wohl auch das einzige Volk auf Erden, in dem es Menschen gibt, die rundheraus leugnen, daß unser kultureller und politischer Masochismus etwas mit dem Zwölfjährigen Reich zu tun haben könnte.

Da kann einem nur noch dieses Lied von den Hooters Trost spenden: